Alle Länder der Erde (Major)

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Nun verstehe ich erst! Ich bin da völlig ahnunslos im Dunkeln getappt. Ich hatte auf ein Zahlensystem getippt, das die verborgenen Notwendigkeiten vorschreibt.

Nun, voilà, ist es heraus.

Nun verstehe ich:

01 gelbe Wasserwage im Handwerkskasten bedeutet die Radikale 1, 101, 201

02 senkrechtes Weizenfeld bedeutet die Radikale 2, 102, 202

03 schwarze Abschiedsträne bedeutet die Radikale 3, 103, 303

Radikale oder "Wurzelzeichen" sind die Elemente, aus denen die chinesischen Schriftzeichen aufgebaut sind.

Siehe http://www.univie.ac.at/Sinologie/teach ... ad2b-3.htm (Kangxi [lies: Kangsi] ist ein Kaiser, unter dessen Namen ein Lexikon herausgegeben worden ist, das diese Radikale enthält).

1 一 "Wasserwaage" zum Beispiel in dem Zeichen 三

2 丨 "senkrecht", zum Beispiel in dem Zeichen 中

3 丶 "Träne", zum Beispiel in dem Zeichen 亂

"Wasserwaage", "senkrecht", "Träne" sind mnemonische Erfindungen, es sind nicht die chinesischen Bezeichnungen.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ich kenne historisch nur eine einzige Quelle, in der eine ähnliche Methode beschrieben wird, wie sie Du verwendest, um die Radikale auf die Länder sowie die Zahlen auf die Häuser - wie in Esels Welt beschrieben - zu verteilen:

Es ist das aus dem 15. Jh. stammende Werk Spiegel der wahren Rhetorik von Friedrich Riederer.

Darin entwirft Riederer eine Doppel-Garderobe aus Personen und Berufe. Jeder Person ist ein Haus zugeordnet mit den der Person zugehörenden Utensilien und Besitztümern.

Nun schreibt Riederer: "Und wenn er die matery so fürnimpt [...] sol er sich ordnung gebruchen also: Namlich den ersten artickel setzen uff person des mans im ersten huß: Den andern artickel uff den man des andern huß. Den dritten artickel uff den man des dritten huß. Und also für und für bitz zuo end der hüser." Und dann wieder von vorne anfangen.

So ist es auch mit den Radikalen, dass sie eins ums andere nun nicht auf "Hüser", sondern auf "Länder" gesetzt werden. Die Zahlen aber in Esels Welt werden - am Ende des Buchs - auf die Häuser gesetzt.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

KlausHorsten hat geschrieben:Nun, voilà, ist es heraus.
Schade eigentlich!
Danke für den nützlichen Hinweis.
- 1 一 "Wasserwaage" zum Beispiel in dem Zeichen 三
Das ist so üblich, hilft aber mnemotechnisch nicht unbedingt weiter.
- 2 丨 "senkrecht", zum Beispiel in dem Zeichen 中
Hier ist die Zuordnung zum Rad 2 sogar irreführend. 中 ist ein Grundzeichen, das keine selbständigen Bestandteile enthält.
- 3 丶 "Träne", zum Beispiel in dem Zeichen 亂
Das Beispiel gehört zu Rad. 5, nicht zu Rad. 3.
"Wasserwaage", "senkrecht", "Träne" sind mnemonische Erfindungen, es sind nicht die chinesischen Bezeichnungen.
Richtig!
Allerdings ist
- Rad 1 = „(ein) waagrecht(er Strich)“
- Rad 2 = „(ein) senkrecht(er Strich)“
- Rad 3 = „ein Tropfen / Tupfen / Pünktchen“
Meine mnemotechnischen Setzungen sind also durchaus "nahe dran".
Sie setzen im übrigen voraus, dass die 214 Bedeutungen insgesamt durchdacht worden sind, denn die 214 mnemotechnischen Bedeutungen dürfen (1.) keine Überschneidungen enthalten und müssen (2.) hinreichend anschaulich sein. Mnemotechnik braucht klare Grundlagen, die die wirkliche Sprache nicht bietet.
Die mnemotechnische Strategie besteht hier darin, die Radikalzeichen durch ihre (mnemotechnisch aufbereiteten) Bedeutungen zu "ersetzen" und diese wiederum mittels einer 100-Garderobe zu beherrschen.

U.V.
Zuletzt geändert von Ulrich Voigt am Fr 16. Feb 2007, 17:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Riederer: "Und wenn er die matery so fürnimpt [...] sol er sich ordnung gebruchen also: Namlich den ersten artickel setzen uff person des mans im ersten huß: Den andern artickel uff den man des andern huß. Den dritten artickel uff den man des dritten huß. Und also für und für bitz zuo end der hüser." Und dann wieder von vorne anfangen.
Ich kenne den Riederer nicht, glaube aber, mich an ähnliche Beispiele des 16. Jahrhunderts zu erinnern.

Riederer baut sich eine Garderobe, die dann als Mittel zum Zweck fungiert. Meine Garderobe ist aber selbst bereits Zweck. Die zu lernenden Dinge, die Riederer an seine Garderobe hängt, nehmen nicht selbst wieder den Charakter einer Garderobe an. Die Radikal-Garderobe hat insofern eine ganz andere Qualität als all die Garderoben, die man sonst kennt.
Die Zahlen aber in Esels Welt werden - am Ende des Buchs - auf die Häuser gesetzt.
Ja, das ist allemal eine zusätzliche Stütze.
Und zwar aus folgendem Grund.
Frage: "Welches ist das Radikal Nr. 94?"
Wenn ich nun wüsste, dass 94 = Peru, so sollte die Verbindung "Peruanischer Geisterhund" eigentlich aufleuchten.
Die Frage ist also: "Welches ist das Land Nr. 94?"
Hier ist die Verbindung "Peru" mit dem Haus Nr. 94 hilfreich, falls ich 100 Häuser wirklich sicher weiß.

U.V.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Die Radikal-Garderobe hat insofern eine ganz andere Qualität als all die Garderoben, die man sonst kennt.
Das ist der Grund, weshalb ich ihren Charakter als Radikal-Garderobe nicht gleich an die große Glocke hängen wollte. Die Sache soll auch unabhängig von ihrem unmittelbaren Zweck einleuchten.

U.V.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

"Wasserwaage" in 三, "senkrecht" in 中, "Träne", in 亂
Ich habe das nur schnell geschrieben, um den anderen Lesern zu verdeutlichen, um was es geht. Tatsächlich handelt sich um Elemente in diesen Zeichen, aber nicht unbedingt um "Radikale", das heißt, die Elemente kommen zwar in den Zeichen vor, werden aber nicht dazu verwendet, um sie in einem Lexikon zu finden (außer 三, da stimmt es wohl).

Riederer: Abstrakter gefasst ist darin die "Leierkasten-Methode", wie ich sie nennen möchte, doch beschrieben, und zwar so wie sie für die Radikale als auch die Zahlen in Esels Welt verwendet wird.

Es geht darum, eine begrenzte Garderobe zu haben, aber eine unbegrenzte Anzahl von Memorabilien. Die Memorabilien werden nun nach der Reihe an der Garderobe aufgehängt, und wenn zu merkende Elemente da sind, aber keine Garderobenhaken mehr, dann wird einfach wieder von vorne angefangen. So geht es zyklisch fort und fort - eben wie bei einem Leierkasten. Eine ganz tolle Methode!, die ich erst durch Dich kennen und schätzen gelernt habe.

Ich glaube, es macht keinen Sinn, die Radikale hier weiter zu diskutieren. Es besteht wohl wenig allgemeines Interesse hier im Forum daran.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Ich glaube, es macht keinen Sinn, die Radikale hier weiter zu diskutieren.Es besteht wohl wenig allgemeines Interesse hier im Forum daran.
Bedauerlich!

U.V.
Zuletzt geändert von Ulrich Voigt am Fr 16. Feb 2007, 21:08, insgesamt 1-mal geändert.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Also, ich hätte schon etwas zu sagen, bin auch sehr gerne bereit, es zu tun, aber ob hier der richtige Ort ist?
Martin
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Beitrag von Martin »

@Klaus und Ulrich

Also Ihr beiden, jetzt aber nicht "schwächeln", wenigstens ein treuer Leser ist Euch gewiss, obgleich dessen Kenntnisse absolut vernachlässigbar sind und selbiger sich deshalb mit der bloßen Rolle des Lesers begnügen muss! Umso größer ist aber die Freude, gewisses Neuland betreten zu dürfen und kundige Führer als äußerst kompetente Begleitung zu wissen...

Einen aufmunternden Gruß bzgl. der Dialogfortsetzung auf diesem Forum sendet Euch
Martin
alo
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Beitrag von alo »

Auch ich lese diese Diskussion mit Genuss, auch wenn ich leider nicht dazu beitragen kann. Bitte hier weitermachen, nachdem die Veröffentlichung von 214 ja wohl noch dauert.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

alo hat geschrieben: Bitte hier weitermachen, nachdem die Veröffentlichung von 214 ja wohl noch dauert.
Immerhin ist diese 100-Garderobe Kernstück des geplanten Buches, da dachte ich, es wäre vielleicht ganz gut, damit einfach mal rauszukommen. Und die Reaktion von Klaus, die mich ja ob ihrer Intensität überaus verwundert und gefreut hat, kann mir ja auch nur selbst wiederum weiterhelfen. Ich wusste z.B. nicht, dass Gelb eine sozusagen österreichische Farbe ist, so dass "kaiserlich" im Zusammenhang mit "österreichisch" sozusagen das Gelb von ganz allein mit sich führt.

Zu den Farben:
Gelb und Schwarz sind originäre Radikalbedeutungen, die ich einfach so übernommen habe, was aber zu technischen Schwierigkeiten führt, wenn man nach der Methode von Fu Wu-li mnemotechnische Geschichten konstruieren will. Dort bedeuten die Farben nämlich Laute, so dass unliebsame Verwechslungen drohen.
Klug wäre es also, die Farben bei den Radikalen ganz zu vermeiden und Rad 201 (= gelb) = kaiserlich, Rad 203 (= schwarz) = Galle oder = Kohle, Rad 106 (= weiß) = Sahne zu setzen. Da man sich dabei aber definitiv festlegen muss, ist jede einzelne dieser 214 Festlegungen mit höchster Umsicht zu treffen.

U.V.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: "Leierkasten-Methode"
Eine nette Bezeichnung! Es mag sein, dass Du diese Methode zuerst in Esels Welt entdeckt hast, sie ist aber gewiss nicht meine Erfindung.
Es könnte aber sein, dass die Umwandlung von Lernstoff in mnemotechnisches equipment (sozusagen von Mänteln in Haken) tatsächlich meine Erfindung ist, denn ich kann mich an kein einschlägiges Beispiel aus der Literatur erinnern.
Ich denke, dass dieses Verfahren noch viel zu wenig Schule gemacht hat. Indem ich z.B. die chines. Radikale dafür benutze, Wochentage zu bestimmen und Hausnummern zu wissen, habe ich immer einen doppelten Lerneffekt. Und im Laufe der Zeit entsteht dann wirklich so etwas wie absolut sicheres und blitzschnell abrufbares Wissen.
Wenn es nachher bei den mnemotechnischen Geschichten des Chinesischen darum geht, Radikale aus Bedeutungen, die irgendwo in einer komplexen Geschichte auftauchen, zu erkennen, müssen diese Bedeutungen wirklich sicher sein, so sicher, dass sie von ganz allein wie ebensoviele Lämpchen aufleuchten.

U.V.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Nun, da ich weiß, worum es geht, kann ich auch besser einsteigen.

1, 101, 201

1 一 yi "eins" Wasserwaage. Sehr schön. Da gibt es nichts zu ändern. Wasserwaage, ein Werkzeug, verbindet sich von selbst mit dem nächsten ...

101 用 yong "verwenden" - Du setzt "Handwerkskasten", also ein Konkretum statt einem Abstraktum.

201 黃 huang "gelb". Huang ist auf jeden Fall auch Huangdi, der Kaiser. Der chinesische Kaiser trug ein gelbes Gewand. Gelb ist die Farbe des chinesischen Kaisers. Niemand durfte gelb tragen, nur der Kaiser. Hunag "gelb" ist homophon mit huang "Kaiser". Ich sehe da überhaupt kein Problem: mnemonisch "kaiserlich" zu setzen.


2, 102, 202

2 丨ist kein eigenes Schriftzeichen. Du setzt mnemonsich "senkrecht".

102 tian 田 "Feld". Tian ist das Feld. Es ist geteilt in vier. In der Mitte war ein Brunnen. "Feld" bleibt mnemonisch "Feld".

202 shu 黍 "Hirse". "Hirse" bleibt mnemonisch "Hirse".

Hirse und Feld ergibt selbstverständlich ein Hirsefeld. Nun setzt Du: senkrechtes Hirsefeld. [Mich wundert tatsächlich, wie Du drauf kommen konntest, dass das nicht bizarr ist!] Mit meiner Offenheit für das Absurde gefällt mir persönlich dieses Bild, wie ich schon gesagt habe.


3, 103, 203

3丶kein Schriftzeichen. Ein Punkt, nein eigentlich ein kleiner Strich mit einer Verdickung. In der chinesischen Kalligrafie gilt es diesen fleißig zu üben. Ist nicht so einfach. Man muss von oben anfangen, dann schräg nach unten und den Pinsel fester drücken und ein bißchen drehen. Du setzt mnemonisch "Träne". Sehr schön. So sieht er aus.

103 疋 pi. Pi ist auf keinen Fall "Abschied". Das ist zu hergeholt, führt in die Irre. Niemand, kein Chinese, denkt bei pi an Abschied. Giles schreibt: dass es das alte Zeichen für zu 足 "Fuß" ist. Und sieht man genau hin und vergleicht die beiden Schriftzeichen, dann sieht man: 足 - > 疋 - da wird das Kästchen zu einem Strich. Kein Chinese, so vermute ich, denkt - außer es handelt sich um eine Universitätsprofessorin für etymologische Zeichenkunde - bei diesem Zeichen an "Fuß". Zusatz: Wenn man Chinesisch lernt, dann muss man auch chinesisch denken lernen.

203 黑 hei "schwarz". Wieso ändern? Wenn es wegen der Aussprache, die mnemonisch auch noch eingeflochten wird, sein muss, dann würde ich "Tinte" nehmen, und zwar 墨水 moshui "Tinte", wörtlich "Tintenwasser". Da ist 黑 in 墨. Mo ist der Tintenstein, der feste, flach, in kunstvoll geschnitzten Formen, darauf wird Wasser gegossen, so erst entsteht die Tinte zum Kalligrafieren. Ich würde also statt hei 黑 "schwarz" mo 墨 "Tinte" nehmen.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Nun, da ich weiß, worum es geht, kann ich auch besser einsteigen.
prima!!! Nach wie vor geht es ja auch darum, eine Garderobe aufzubauen, die (unabhängig von ihrem Primärzweck) lebt und mit der man dann auch gerne arbeiten mag.
1 一 yi "eins" Wasserwaage.
Die Wasserwaage ist dazu da, das Waagerechte zu bestimmen. Man könnte das chines. Schriftzeichen 一 yi mit einer Wasserwaage zeichnen.
101 用 yong "verwenden"
bedeutet auch "Nutzen", "Mittel" und "nützlich", auch "mit", "um zu" usw. Als Konkretum ist mir nichts besseres eingefallen als halt der Kasten mit den nützlichen Handwerkszeugen. Der ist jetzt eine Art Eselsbrücke für das Bedeutungsfeld "verwenden, nützlich, Nutzen usw."
201 黃 huang "gelb". Huang ist auf jeden Fall auch Huangdi, der Kaiser. Der chinesische Kaiser trug ein gelbes Gewand. Gelb ist die Farbe des chinesischen Kaisers.
Ja, das war mir schon klar, aber es handelt sich ja nun mal um eine österreichische und nicht um eine chinesische Wasserwaare! Wie Du siehst, habe ich mich durch Deinen Einfluss von der aztekischen Wasserwaage zunächst einmal verabschiedet. Oder hatten etwa auch die aztekischen Kaiser die Farbe gelb für sich gepachtet?
2 丨ist kein eigenes Schriftzeichen. Du setzt mnemonsich "senkrecht".
Da 丨 eigentlich gar kein Schriftzeichen ist, aber als Radikal eben doch wie ein Schriftzeichen benutzt wird und insofern dann eben auch doch ein Schriftzeichen ist, wenngleich ein im Lexikon eingesperrtes, steht im Lexikon als Bedeutung: "Senkrechter Strich" (gemeint ist: im chines. Schriftzeichen als Zeichenbestandteil). Mein mnemonisches Bild ist eigentlich das Lot, das an einem Band befestigte Gewicht. Wenn ich aber "senkrecht" weiß, dann kann ich dafür auch Lot substituieren.
102 tian 田 "Feld". "Feld" bleibt mnemonisch "Feld".
Ja.
202 shu 黍 "Hirse". "Hirse" bleibt mnemonisch "Hirse".
Ja.
Hirse und Feld ergibt selbstverständlich ein Hirsefeld. Nun setzt Du: senkrechtes Hirsefeld. [Mich wundert tatsächlich, wie Du drauf kommen konntest, dass das nicht bizarr ist!] Mit meiner Offenheit für das Absurde gefällt mir persönlich dieses Bild, wie ich schon gesagt habe.
Senkrechtes Hirsefeld ist schon recht bizarr, das finde ich auch. Und eben deshalb versuche ich ja, das Bild etwas natürlicher zu machen, indem ich es an einen Ort setze wie San Francisco oder Sansibar, wo es von Haus aus ziemlich senkrecht zugeht.
3丶kein Schriftzeichen. Ein Punkt, nein eigentlich ein kleiner Strich mit einer Verdickung, mnemonisch "Träne". Sehr schön. So sieht er aus.
Ja
103 疋 pi. Pi ist auf keinen Fall "Abschied". Das ist zu hergeholt, führt in die Irre. Niemand, kein Chinese, denkt bei pi an Abschied. Giles schreibt: dass es das alte Zeichen für zu 足 "Fuß" ist. Und sieht man genau hin und vergleicht die beiden Schriftzeichen, dann sieht man: 足 - > 疋 - da wird das Kästchen zu einem Strich. Kein Chinese, so vermute ich, denkt - außer es handelt sich um eine Universitätsprofessorin für etymologische Zeichenkunde - bei diesem Zeichen an "Fuß". Zusatz: Wenn man Chinesisch lernt, dann muss man auch chinesisch denken lernen.
"Wenn man Chinesisch lernt" = ja. "Wenn man auf mnemotechnische Weise chinesische Zeichen lernt" = nein. Es ist hier ganz wurscht, wie die Chinesen das sehen würden. Es stört mich nicht, wenn kein noch so schlauer Chinese aus "Abschied" auf das Schriftzeichen 疋 kommt, das er ja ohnehin pi (pinyin) ausspricht und sich dabei eine Rolle aus Tuch vorstellt.
Worauf es ankommt, ist allein, ob für mich "Abschied" eine gängige Eselsbrücke für 疋 ist.
Die Überlegung, die mich zu der Wahl "Abschied" geführt hat, fußt auf Pater Wiegers Chinese Characters (das ich in der englischen Ausgabe kenne). Wieger bietet eine Kurzfassung des Shuo wen, d.h. der ältesten überlieferten Meinungen zu den chines. Schriftzeichen und ist gegenüber Giles viel kundiger. Wieger schreibt: zu 疋: "foot in motion, to turn." Für diese Idee ist "Abschied" eine passende Brücke, denn beim Abschied dreht man sich weg und bewegt sich fort. Ich habe also eine Brücke zu der (mutmaßlich) ursprünglichen Bedeutung des Zeichens, für die es mittlerweile gar keine Aussprache mehr gibt. Die zhuan zhu Bedeutung "Tuchrolle" kann ich hier ignorieren. Und da unter den Radikalen so einige Füße auftauchen, muss ich ohnehin versuchen, auszuweichen.
203 黑 hei "schwarz". Ich würde statt hei 黑 "schwarz" mo 墨 "Tinte" nehmen.
Ja, das ist eigebtlich auch mein Bild. "Galle" und "Kohle" habe ich jetzt gerade improvisiert. Mit der Doppelbelegung der Farben ist es auch nicht wirklich dramatisch, nur eben auch nicht sehr perfekt.

U.V.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Chinesische Schriftzeichen zu lernen bedeutet Chinesisch lernen. Es geht doch letztlich darum, Chinesisch zu lernen, wovon die Schriftzeichen ein Teil sind (siehe unten).

Zu 疋 pi: Ich verstehe Deine Begründung. Sie ist gerechtfertigt. Wieger = Shuowenzi und das Shuowen ist mnemonisch eindeutig die stärkste Autorität, selbst wenn die neuere Zeichenkunde zurecht viel Kritik übt. Die stärkste Autorität, weil es im Bewusstsein der Chinesen über viele Jahrhunderte Einfluss genommen hat - bis heute.

Ich bleibe dabei und bin da recht stur: Der Gesichtspunkt: Chinesisch lernen bedeutet chinesisch denken lernen, sollte immer berücksicht werden und stellt ein wesentliches Kriterium für die Gelungenheit der Konstruktion dar. Wenn es zu weit davon abweicht, dann handelt es sich eher um einen Notbehelf.

疋 pi: Also, wie gesagt, ich bin da störrisch, so wie es sich für Esel manchmal gebührt: Ich denke homophon sofort an Pifu "Haut". Pi in Pifu ist 皮. Das ist falsch. Geht den Chinesen aber auch so. Mnemonsich kann das sehr wohl richtig sein. Ich habe jetzt nicht nachgeforscht, aber 疋 pi ist vor allem ein classifier, ein Zähleinheitswort, und kommt - wohl doch abgeleitet von "Fuß" - nur darf man nicht an Menschenfuß denken - etwa in Wendungen wie "san pi ma" drei Pferde vor. Für mich ist 疋 pi nicht so eindeutig "Stoffballen". Ich würde in diesem Fall meine chinesische Freundin fragen, an was sie denkt, sie hat chinesische Literatur studiert.

Zusammengefasst: In meinen Augen ist 疋 pi noch ein incertum, das noch weiterer Behandlung bedarf.

Zu der Ländergarderobe generell:

Länder sind Abstrakta.

Indien zum Beispiel. Ich kann es nicht anfassen, nicht in den Mund nehmen (eine grundlegende Erfahrungsweise der Kinder). Wenn ich Indien in den Mund nehmen will, dann muss ich etwa "Curry" oder "Curryreis" nehmen. Ich muss also das Abstraktum umwandeln in ein Concretum.

Ich habe mich mit der Ländergarderobe geplagt. Ich finde, sie ist mnemonsch gesehen eine sehr schlechte Garderobe. Eben weil es eine Garderobe von Abstrakta ist.

Nun kann es sein, dass sich das in dem Zusammenhang der Radikale ändert, dass gerade diese anschauliche Leere es ist, welche den Radikalen, die für sich anschaulich sind, Raum gibt.

Dennoch sind da bei mir Zweifel, die, so vermeine ich zu verstehen, auch Du in Esels Welt äußerst.

Ich frage mich - und Dich, wäre es nicht besser, eine 100er Garderobe zu haben, so wie sie die Gedächtnissportler haben? Wie zum Beispiel 10 Tasse, 11 Tod (Totenkopf), 12, Tonne, 13 Dom, 14 Tür, 15 Teller, 16 Tasche ...?

Für mich wäre das mnemotechnisch sehr viel interessanter. Dann würde die Standardgarderobe eine willkommene Erweiterung erfahren und einen Variationsreichtum annehmen.

Ich glaube, es gibt 2 Ziele, die mitunter kollidieren können:
1. Chinesisch zu lernen
2. Unabhängig vom Chinesischlernen eine schöne, variantenreiche Garderobe zu konstruieren
Zuletzt geändert von Klaus Horsten am Sa 17. Feb 2007, 7:47, insgesamt 1-mal geändert.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

疋 pi mnemonisch "Pferdefuß". Da ist beides berücksichtigt: die Ursprungsbedeutung des Schriftzeichens und eine zentrale Variante des heutigen Gebrauchs. Und mnemonisch ist es sehr konkret.

Was dagegen spricht:
* Es ist nicht so einfach, aus "Tinte", "Träne" und "Pferdefuß" ein griffiges, eingängiges Bild zu machen - ist aber eine interessante Herausforderung für einen Mnemotechniker!
* Du hast Dich schon so an "Abschied" gewöhnt, dass Du nur sehr ungern bereit bist, es aufzugeben
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Der Gesichtspunkt: Chinesisch lernen bedeutet chinesisch denken lernen, sollte immer berücksicht werden und stellt ein wesentliches Kriterium für die Gelungenheit der Konstruktion dar. Wenn es zu weit davon abweicht, dann handelt es sich eher um einen Notbehelf.
Mit dem Gerdanken stirbt die Mnemotechnik, die ja von der Willkür lebt.
Jetzt fürchte ich schon, dass Du Dich selbst damit blockieren wirst. Hättest Du z.B. vor einigen Tagen schon gewusst, dass es um die chines. Radikale geht, so hättest Du wahrscheinlich nicht so interessant über die gelbe Farbe der Habsburger nachgedacht. Denn das Schloss Schönbrunn hilft uns nicht, chinesisches Denken aufzunehmen.
疋 pi: nur darf man nicht an Menschenfuß denken
Warum denn nicht?
[ 疋 pi ] kommt etwa in Wendungen wie "san pi ma" drei Pferde vor.
Nein, das ist ein anderes pi.
Rad 103 = Pferdefuß
Ja, das wäre auch eine gute Möglichkeit. Ausgehöhlt könnte er mit schwarzen Tränen (oder mit Tränen-Tinte) gefüllt werden.
Ich habe mich mit der Ländergarderobe geplagt. Ich finde, sie ist mnemonsch gesehen eine sehr schlechte Garderobe. Eben weil es eine Garderobe von Abstrakta ist.
Das ist etwas Gefühlssache. Nach Deiner Beschreibung hieße "konkret" so viel wie "zum Anfassen". Wenn man z.B. in Indien ist, ist Indien demnach konkret, wie ja auch die Nordsee für die Einwohner von Helgoland. Etwas groß, aber durchaus "zum Anfassen". Mit etwas Phantasie kann man das auch hier am Schreibtisch nachvollziehen.
Nun kann es sein, dass sich das in dem Zusammenhang der Radikale ändert
Ja! Ich habe versucht, das am Beispiel des peruanischen Geisterhundes zu erklären. Der macht sich doch viel besser als ein Geisterhund aus Porzellan oder mit einer umgehängten Perlenkette. Und: Wenn man eine normal Objektgarderobe (statt der Länder) nimmt, so wird die Konzentration auf die Radikalbedeutungen erschwert. Beim peruanischen Geisterhund ist es ganz klar, dass "Geist" und "Hund" die Radikalbedeutungen sind, beim deutschen Kellertisch "Keller" und "Tisch".

U.V.
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:[ 疋 pi ] kommt etwa in Wendungen wie "san pi ma" drei Pferde vor. - Nein, das ist ein anderes pi.
Nein. 疋 = 匹. Genau so wie im Mittelhochdeutschen die Rechtschreibung noch nicht normiert war und jeder schreiben konnte, so wie es ihm am besten dünkte, so gab es auch in China die Möglichkeit, Wörter mit austauschbaren Schriftzeichen wieder zu geben. Heute ist 匹 üblich - für Pferde, das stimmt. Aber wir denken über 疋 nach und das bedeutet: "Fuß" und war Zähleinheitswort für Pferde, wehalb ich beides verbinde und sage: "Pferdefuß".

足 - > 疋 + Pferd -> = "Pferdefuß".
Klaus Horsten
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Ulrich Voigt hat geschrieben:Der Gesichtspunkt: Chinesisch lernen bedeutet chinesisch denken lernen, sollte immer berücksicht werden -
mit dem Gerdanken stirbt die Mnemotechnik, die ja von der Willkür lebt.
Ich sprach von 2 Zielen, in deren Spannungsfeld wir uns bewegen. Wir wollen zum einen Chinesisch lernen, dann wollen wir Garderoben erfinden, die für andere Zwecke tauglich sind.

Ich sehe das nicht so radikal. Ich bin da auch nicht dogmatisch und stelle das nur zur Diskussion - es ist kein ausgereifter Gedanke von mir.

Ich denke mir, es lässt sich mehr Wissen binden, wenn man die Weise, wie die Chinesen die Wörter verstehen und verstanden haben, mit einbezieht.

Beipiel: Unser 疋 pi.

Wenn ich "Pferdefuß" anstelle von "Abschied" nehme, dann binde ich mehr Informationen:
* 疋 als Schriftzeichen ist eine Variante von 足 "Fuß"
* 疋 und Pferd: 疋 = 匹 da bringt mich 疋 zu 匹, ich lerne gleich das Zähleinheitswort, das heute für Pferde gebraucht wird, mit.
Zuletzt geändert von Klaus Horsten am Sa 17. Feb 2007, 14:27, insgesamt 2-mal geändert.
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Ulrich Voigt hat geschrieben:Wenn man eine normal Objektgarderobe (statt der Länder) nimmt, so wird die Konzentration auf die Radikalbedeutungen erschwert.
Könnten wir das einmal durch exerzieren? Für mich ist das nicht so klar. An example is a powerful thing!
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